Cost2Coast: Fazit und Statistik

9 Tage, 326 Kilometer und knapp 7000 Höhenmeter. Nur ein Drittel meiner Alpenüberquerung, aber trotzdem fast die gleiche Ausrüstung. Die Wanderstiefel (halbhohe HOKA SpeedGoat GTX) waren leichter, kein Hüttenschlafsack, kleinere Powerbank, sonst hatte ich alles dabei und bis auf die üblichen „Versicherungs“-Gegenstände auch benutzt. Dazu kamen Gamaschen und eine bessere Regenjacke (kaum genutzt aber wenn dann war ich um jede Unze Qualität dankbar) – sogar das Langarm-Fleece aus Rauris kam fast täglich zum Einsatz. England ist im Juni auf 600hm kälter und windiger als die Alpen im Juli über 2000hm. Auch die Wanderstöcke waren auf den Bergetappen im Lake District und den Hochmooretappen sehr willkommen. Also hatte ich wieder 8kg plus Wasser zu tragen.

Alpenvereinshütten gibt es in England nicht, daher habe ich in vorgebuchten Hotels, Pubs oder Ferienwohnungen übernachtet, was die Kosten pro Tag auf ca. 120€ hochgetrieben hat. Erst auf dem Weg habe ich – gerade im Lake District – viele praktisch gelegene Jugendherbergen gesehen, die eine Übernachtungsalternative geboten hätten.

Technik und Energiemanagement konnte ich fast 100% von der Alpenüberquerung übernehmen: Die Tracks habe ich mit meiner Garmin Forerunner 255 aufgezeichnet, und dann über die am Handy angezeigte Garmin-Connect Webseite (nicht die App) als GPX-Datei exportiert. Diese habe ich dann in Komoot importiert. Der Akku der Uhr hat auch die längsten Tagesetappen (10h) durchgehalten, das Handy – mit Komoot Karte (keine Navigation, nur Anzeige) und manchmal Podcastplayer – auch. Zur abendlichen Ladeoptimierung und Notreserve hat eine kleine Powerbank mit 5000mAh ausgereicht. Als Handy hatte ich ein Pixel 8 Pro dabei, mit Makro, 0,5 Weitwinkel und 5x Optischem Zoom-Objektiv. Datenverbrauch außerhalb von WLANs waren 6 GByte.

Coast2Coast Bonus Episode: Zum Zug nach Scarborough

Nach meiner Coast2Coast Querung will ich heute Abend die Fähre nach Rotterdam nehmen, um dann mit meinem letzten Interrail-Tag weiter nach Hause zu fahren. Dazu muss ich aber erst einmal von Robin Hood’s Bay zum nächsten Bahnhof nach Scarborough kommen.

Eine gute Entschuldigung für eine schöne Wanderung auf gut ausgebautem und markierten Pfad entlang der Nordseeküste. Doch zuerst lasse ich in alter Coast2Coast-Tradition meinen Stein aus St. Bees am Strand zurück.

Der Weg windet sich in munterem Auf und Ab zwischen 0 und 200 Meter Höhe immer die Küste entlang. Am Morgen noch diesig, kommt im Laufe des Tages die Sonne durch. Leider auch der Wind von Westen, der hartnäckig versucht mich in die Nordsee zu blasen.

Der Einzug nach Scarborough von Norden ist prachtvoll: Eine langgezogene Bucht mit Promenade und klassischen Hotels, im Hintergrund die Ruine der Burg. Ich gehe an der Burg vorbei zum Hafen und Südstrand, und das Bild ändert sich schlagartig: Fish&Chips, Spielhalle, Pub, Spielhalle – das volle Programm. Fish&Chips hatte ich gestern schon, also kaufe ich mir lieber ein Softeis und gehe zum Bahnhof.

Coast2Coast 9: Glaisdale to Robin Hood’s Bay

Der letzte Tag meiner Englandquerung bietet noch einmal ein “Best of” auf: Sonnenschein (ja wirklich!), schöne Wanderwege neben einem Fluss, gelegentlich nasse aber atemberaubend schöne Hochmoorabschnitte, und von liebevollen Enthusiasten betriebene Dampfeisenbahnen.

Ich richte meinen Aufbruch so ein, dass ich um 10:25 in Grosmont bin, dem Begegnungsbahnhof der North York Moors Railway, die täglich mit Dampfzügen von Pickering nach Whitby fährt. Um 10:30 begegnen sich der Nord- und der Südzug. Ein Fest. Auch der “Engine Shed”, wo die alten Loks und Wagen restauriert werden, kann dort besichtigt werden. Hach.

Derart gestärkt gehe ich weiter, steil 200hm hinauf ins Hochmoor. Auch auf der Höhe pfeift schon wieder der Wind (hagelt allerdings heute nicht) und ich ziehe eine Schicht mehr an. Nochmal bange Blicke auf nasse Stellen: Sicher drauftreten oder bis zum Knie einsinken? Ich umschiffe alle Gefahren und mache neben einem Honesty Shop in einem Campingwagen Mittagspause. The Trail Provides!

Kurze Zeit später stehe ich dann an der Nordsee. Noch vier Kilometer oben entlang der Steilküste, und der offizielle Endpunkt des Weges in Robin Hood’s Bay ist erreicht. Praktischerweise mitten im Aussenbereich eines Pubs. Ich hole mir ein Wainwright’s Helles und frage die Gruppe die nichtsahnend vor dem Ende-Schild sitzt ein Foto von mir zu machen. So endet ein wunderschöner Weg quer durch England: Neun Tage, drei Nationalparks, 326 Kilometer und 7000 Höhenmeter. Und alles zusammen nur drei Stunden Regen oder Hagel. Das Jacken Karma hat gehalten!

Coast2Coast 8: Faceby to Glaisdale

Die Mühen der Ebene mit zugewachsenen Pfaden und vierspurigen Bundesstraßen sind vorbei, heute geht es wieder in die Berge. Und zwar in die North York Moors, den dritten Nationalpark, den der Coast2Coast durchmisst.

Ich steige zwar nur auf gut 400m auf, aber oben stürmt es gewaltig. Da muss die gestern durchwanderte Ebene wie eine Düse wirken. Dafür sind die Blicke fantastisch: Nach Norden hinab zur Ebene vor Middlesbrough, nach Osten zur „meiner“ Ebene, nach Westen und Süden das einsame Hochmoor. Später ist am Horizont sogar die Nordsee schon zu sehen.

Der Wind ist so stark, dass zwischen ersten Regentropfen und waagerecht fliegenden Hagelkörnern kaum Zeit bleibt, Regenjacke und Regenhose anzuziehen. Der Spuk ist nach ein paar Minuten vorbei, sollte sich aber später nochmal wiederholen.

Im Gegensatz zum “boggy” Yorkshire Dales Hochmoor muss ich heute nicht ständig ein Einsinken im nassen Boden befürchten, sondern gehe ganz komood auf dem Bahndamm einer schon 1922 aufgegebenen Bahnlinie entlang. Diese hat besonders magnetisches Eisenerz abtransportiert, welches mitten im Moor gefunden wurde.

Mittag mache ich an der “Fat Betty”, einem alten Orientierungsstein. So gestärkt vergehen die letzten 10km hinunter nach Glaisdale schnell. Kurz davor noch ein Regenschauer, der einen Regenbogen wie ein Tor über meinen Weg zaubert. Ein sehr schöner und abwechslungsreicher Tag!

Coast2Coast 7: Brompton on Swale to Faceby

Eine flache Ebene zwischen den Yorkshire Dales und den North York Moors, und es ist zur Abwechslung am Nachmittag Regen angesagt. Also breche ich früh auf um so viele trockene Kilometer wie möglich zu machen.

Der Weg wechselt von Wiese zu Landstraße zu (extrem) schlammigen Waldweg und zurück. Eine zweispurige Bahnlinie muss ohne Brücke oder Unterführung überquert werden (“Stop! Look! Listen!”), kurz danach die vierspurige A19 auf die gleiche Weise.

Jetzt erst beginnt der spannende Teil des Weges: Ich verlasse den Coast2Coast, um zu meiner Unterkunft zu kommen, und muss mich ab jetzt auf die gefürchteten schwarzen Komoot-Pfade verlassen. Das ist schon mal hohes Gras neben einem Feld oder ein kaum auszumachener Pfad quer über ein Feld. Einmal erhebt sich ein riesiger Stier von seinem Ruheplatz auf meinem Pfad und motiviert mich zu einem kleinen Umweg, dann hat irgendein Schnösel mit seiner Villa mein “right of way” zugebaut und zwingt mich zu einem größeren Umweg.

Alles nicht gut fürs Regenjackenkarma. Die letzten zwei Kilometer darf die neue Regenjacke zeigen was sie kann, dann bin ich endlich da.

Coast2Coast 6: Reeth to Brompton on Swale

Heute fast ein Ruhetag: 28 Kilometer ohne große Anstiege. Meiner Erfahrung nach reagiert mein Körper besser auf kurze “Ruheetappen” als einen ganzen Ruhetag, wo er denkt “Fertig! Jetzt das Zwicken hier und da bitte einschalten”.

So komme ich einigermaßen frisch am Ziel an. Sogar die Achillessehne, die im Lake District noch etwas unglücklich schien, ist nunmehr besserer Stimmung.

Der Stimmung zuträglich war auch mein Mittagsstop nach schon 17 Kilometern. Richmond, eine Kleinstadt mit verwinkelten alten Gassen, einem Castle und schönen Parks zum Mittagspause machen. Und einem Lidl für den deutsches Gebäck vermissenden Wandersmann: Brezn, Schokocroissant – genau wie Zuhause!

Der weitere Weg folgt dem Fluss Swale (laut der rekordverliebten Briten der schnellstfließende Fluss Englands), vorbei an den Ruinen der Easby Abbey, die schon zu Zeiten der Romantik eine Malerei inspirierende Ruine war.

Am Ziel hat mich die Zivilisation wieder. Ich übernachte inmitten des flachen Stücks zwischen Yorkshire Dales und North York Moors, wo logischerweise die Autobahn, Bundesstraße und Bahnhauptlinie durchführt. In Westeros wäre hier das “Inn at the Crossroads” an der Kingsroad.

Coast2Coast 5: Kirkby Stephen to Reeth

Nach dem sanften Auf und Ab über Schafweiden gestern steige ich heute wieder 500hm an, zur Hochmoorebene der Yorkshire Dales. Oben werde ich gleich erstmal von den neun Wächtern begrüßt, die dort schon mindestens 500 Jahre stehen, nach einigen archäologischen Theorien sogar schon viel länger.

Ich benehme mich und darf passieren. Vielleicht haben die Wächter auch nur die Wasserdichtigkeit meiner Schuhe bewertet, den diese sollte auf den nächsten Kilometern mehrfach getestet werden. Hochmoor ist eben “boggy”.

Trockenen wenn auch verschlammten Fußes erreiche ich Keld, ein ganz liebliches Dörfchen wo man gleich den Tierarzt James Herriot um die Ecke zu kommen erwartet. Der weitere Weg ist auch tatsächlich nach ihm benannt. Doch führt er nicht zu Tieren, sondern Ruinen aus der Anfangszeit der Industrialisierung vor über 200 Jahren. Hier wurde damals Blei abgebaut und gleich vor Ort geschmolzen. Heute haben sich viele Vogelarten ihr Revier zurückerobert.

Nach 37 Kilometern sehe ich mein Ziel immer noch nicht. Ein Abstieg durch dichtes Gestrüpp, eine Straße, dann bin ich endlich da. Das Gasthaus heißt wie schon in Kirkby Stephen wieder “Black Bull” und serviert mir Wildschwein in Pfefferminzsoße. Gut, Lamm nicht Wildschwein, und die Cervisia war auch nicht lauwarm sondern schön kalt. Moderne Zeiten!

Coast2Coast 4: Shap to Kirkby Stephen

Das Hochgebirge liegt hinter mir, die heutige Etappe führt in sanftem Auf und Ab von Schafweide zu Schafweide. Der Weg meidet konsequent alle Dörfer, und so treffe ich gefühlt 100x mehr Schafe als Menschen (letztere meist auch C2C-Wanderer).

Der federnde Wiesenuntergrund, nach vier trockenen Tagen auch nicht mehr schlammig, ist eine Wohltat für die Füsse. Der Blick geht weit: Zurück zu den Gipfeln des Lake District am Horizont, voraus zu einer Steinmauer neben der anderen.

Nur einmal steige ich steil ab: Ins Tal des Scandal Beck, der von einer wildromantischen Steinbrücke überspannt wird. Weiter im Norden ist ein altes Eisenbahnviadukt einer schon 1962 aufgegebenen Industrielinie zu erkennen. Mei Tagesziel heute, Kirkby Stephen, hatte auch einen Bahnhof an dieser Linie, heute ein kleines Eisenbahnmuseum.

Coast2Coast 3: Grasmere to Shap

Das kamelförmige Höhenprofil von gestern gibt heute noch einmal, allerdings mit den Höckern am Anfang. Gestärkt von einem leckeren Cooked Breakfast (mit Black Pudding!) in Grasmere steige ich zunächst die Hänge des Helvellyn empor. In Anbetracht des Tagespensums bin ich froh daß der Gipfel nicht Teil des Coast2Coast ist. Ich hatte ihn bei null Sicht ja schon als Teil meines “Trainingslagers” letzte Woche bestiegen. Heute ist der Himmel blau und die Sicht geht weit.

Es ist immer wieder erstaunlich wie hochgebirgig sich die Pässe und Aufstiege anfühlen. Der höchste Punkt des Coast2Coast (792m, der zweite Kamelhöcker heute) ist nur knapp höher als der Wasserspiegel des Tegernsees.

Zu einem See steige ich dann auch hinab. Ein Stausee, der für die Wasserversorgung Manchesters angelegt wurde. Quasi die Möhnetalsperre Englands, nur mit weniger Infrastruktur. Ich kämpfe mich am Ufer einen schmalen Pfad entlang, und nicht mal an der Staumauer gibt es eine kalte Cola zu kaufen. Dann, kurze Zeit später provided der Trail dann doch: eine Honesty Kühlbox mit Capri Sonne!

Das letzte Stück nach Shap zieht sich. Und leider gibt es zwischen den Weiden keine Tore mehr, sondern wandersteifbeinfeindliche Kletterkonstrukte, mit tiefem Schlamm davor und dahinter. Gut dass meine Hose rot und die Schuhe orange sind, da sieht man den Schlamm besser!

Coast2Coast 2: Ennerdale to Grasmere

Heute gehe ich ins Herz des Lake District, nach Grasmere. Dazu sind zwei steile 500hm Anstiege zu bewältigen.

Doch zunächst geht es lange an einem See entlang und durch ein Tal. Der Himmel ist bedeckt, die Berge nicht zu sehen, doch hinter mir im Westen klärt es auf. Ich sollte den ganzen Tag keinen Regentropfen spüren, das Jacken Karma hält.

Dafür gibt es heute viel Nässe von unten. Bächlein fließen oft auf dem Weg, und beim Queren größerer Bäche sind beherzte Schritte von Stein zu Stein nötig.

Der erste Pass (Aufstieg lustigerweise noch mit EU-Mitteln ausgebaut) führt am Grey Notts vorbei zum Honister Strassenpass. Dort gibt es neben einer aktiven Schieferverarbeitung auch ein Cafe, wo ich mit einem Cornish und einem Honister IPA Mittagspause mache.

Dann geht es hinunter nach Rosthwaite und weiter hinauf zum Greenup Edge, dann wieder hinunter nach Grasmere. Das Wetter ist inzwischen so gut, dass ich schon überlege kurzärmlich zu gehen. So kann es bleiben!